uliforte yverdon2021Der neue Trainer des Challenge-League-Vereins Yverdon-Sport FC hat den FC St. Gallen, die Young Boys, GC und den FCZ trainiert. Seit bald zwanzig Jahren ist der studierte Betriebswirtschafter als Trainer tätig. Davor spielte er lange Jahre als Abwehrprofi in der damaligen Nationalliga B, unter anderem beim SC Kriens.

2009 ist er mit dem FC St. Gallen in die Super League aufgestiegen. 2013 holte er mit GC den Cup und die Vizemeisterschaft. Mit dem FCZ wurde er 2016 Cupsieger und führte den Verein 2017 wieder in die Super League. Uli Forte (47) weiss, wie zentral funktionierende Lieferketten und der richtige Einkauf auch im Fussballgeschäft sind.

Herr Forte, wie kauft man die «richtigen» Spieler ein?

Matchentscheidend ist das Scouting. Um die richtigen Spieler zu verpflichten, braucht es eine lange Vorlaufszeit mit Beobachten, Vorinformieren und Kennenlernen eines Spielers. Man muss versuchen, die Fehleinkäufe auf ein Minimum zu reduzieren. Viele Vereine sparen beim Thema Scoutingabteilung. Obwohl man eben diese Abteilung unbedingt ausbauen und einen gewichtigen finanziellen Teil darin investieren müsste. Da wird an der falschen Stelle vermeintlich gespart. Am Schluss ist ein Fehltransfer das Teuerste, was einem Verein passieren kann.

Wie viel Einfluss sollte ein Trainer auf den Spielereinkauf haben – und weshalb?

Der Spielereinkauf verschiebt sich immer mehr vom Trainer zum Verein. Früher war der Trainer hier das einzige bestimmende Organ. Heute nehmen die Vereine vermehrt Einfluss darauf. Die Halbwertszeit eines Trainers hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verkürzt und das ist den Vereinen bewusst. Meiner Meinung nach muss der Trainer ein Mitspracherecht haben, denn er steht danach tagtäglich mit den Jungs auf dem Platz. Trotzdem sollte nicht nur der Trainer entscheiden. Sonst kann es passieren, dass der Verein nach ein paar Monaten mit Spielern planen muss, die der soeben entlassene Trainer geholt hat.

Welchen Einfluss hat ein guter Trainer auf das Endresultat eines Matches?

Auf das Endresultat eher wenig. Er kann höchstens mit den Einwechslungen, die jetzt wegen der Coronapandemie auf fünf Stück erhöht wurden, Einfluss nehmen. Aber für die Entwicklung des Teams ist er entscheidend. Er kann dieses aufs nächste Level bringen. Diese langfristige Evolution ist sehr wohl auf den Einfluss des Trainers zurückzuführen.

Wo und wie muss man als Trainer Risikomanagement betreiben, um das Team wettbewerbsfähig aufzustellen?

Im Fussball steckt das Risikomanagement in der Aufstellung der Mannschaft. Ich muss als Trainer die richtige Balance zwischen offensiven und defensiven Spielern finden. Je offensiver ich aufstelle, desto grösser ist die Chance, viele Tore zu erzielen. Jedoch auch grösser die Möglichkeit, hinten nicht stabil genug zu sein. Die Aufstellung der verschiedenen Spieler ist die eine Seite. Die andere Seite betrifft die Einstellung der Spieler. Rennen alle Spieler wild nach vorn und kümmern sich überhaupt nicht mehr um die Defensive, dann läuft man auch sofort Gefahr, das Risiko zu erhöhen.

Wie muss die «Lieferkette» auf dem Feld aufgebaut sein, damit Tore erzielt oder verhindert werden können?

Die einzelnen Elemente müssen ineinander greifen und bestens harmonieren. Jeder einzelne Spieler muss den Gedankengang eines jeden Mitspielers kennen und dessen Bewegung antizipieren können. Nur auf diese Weise entsteht eine Synergie, die es Mannschaften erlaubt, nach perfekten Kombinationen herrliche Tore zu erzielen, oder in Zusammenarbeit zwischen mehreren Mannschaftsteilen ein Tor zu verhindern. Es ist zu vergleichen mit einem Uhrwerk oder einer perfekt funktionierenden Lieferkette in Industrie, Handel oder Dienstleistung.

Wie zentral ist ein gutes Netzwerk für Sie?

Ein gutes Netzwerk ist im Fussball unabdingbar. Es ermöglicht dem Verein den Zugriff auf Ressourcen aus aller Welt. Sei es in monetärer, aber auch humaner Hinsicht. Zu wissen, dass in Australien ein grosses Talent spielt, kann einen Mehrwert schaffen. Solche Mehrwerte können einen Verein mit der Zeit auf ein höheres finanzielles Niveau hieven und konkurrenzfähiger machen. Diesen Spieler finde ich nur über mein Netzwerk.

Wie bauen Sie ein Team auf?

Zuerst schaut man sich immer das vorhandene Spielerkader an und analysiert, ob es eine homogene Einheit bildet. Ist die gute Mischung zwischen jungen und älteren Spielern vorhanden? Besteht eine grössere Baustelle im zwischenmenschlichen Bereich der Spieler? Nach all diesen Kriterien versuche ich das Team zu formen. Einer meiner wichtigsten Grundsätze als Trainer war immer auch die Förderung junger Talente der eigenen Nachwuchsabteilung. Die eigene Nachwuchsabteilung ist das Kapital eines jeden Vereins. Und dieses Kapital gilt es zu entwickeln.

Hat man dafür genügend Zeit?

Im Fussball ist das nächste Spiel immer auch das Wichtigste. Trotzdem will man ein Team so formen, dass es über einen längeren Zeitraum nachhaltig erfolgreich bleibt. Dieser Spagat wird im Fussball je länger, je schwieriger! Man bedenke, dass die durchschnittliche Anstellungsdauer eines Bundesligatrainers bei knapp einem Jahr angekommen ist.

Über welche Fähigkeiten muss ein guter Trainer verfügen?

Die fussballfachlichen Komponenten sind natürlich eine Voraussetzung. Was immer wichtiger wird, ist die Sozialkompetenz eines Trainers. Er muss wissen, wie er welche Spieler abholen kann. Ein Team besteht aus bis zu 25 Spielern, die allesamt verschiedene Charaktere und Nationalitäten besitzen. Das erfordert oft verschiedene Arten von Führung. Diese Klaviatur muss ein Übungsleiter beherrschen. Alle über den gleichen Kamm scheren, das war einmal.

Sie haben Wirtschaft studiert – muss ein Fussballclub wie ein Unternehmen geführt werden?

In finanzieller Hinsicht sicherlich. In führungstechnischen Fragen kann man einen Fussballverein nur bedingt mit einem Unternehmen aus der Privatwirtschaft vergleichen. Heutzutage ist eine Fussballmannschaft ein Sammelsurium von Ich-AGs, die zu einer homogenen Einheit geformt werden müssen. Erschwerend kommt dazu, dass man jede Woche, manchmal sogar zweimal pro Woche Standortbestimmungen innerhalb des Teams hat. Was in einem Unternehmen aus der Privatwirtschaft ein paar Mal pro Jahr stattfindet, wird bei uns im Fussball sicher wöchentlich, wenn nicht sogar halbwöchentlich gemacht. All das wird noch medial begleitet und jedes Wort oder jede Handlung eines Vertreters wird öffentlich gemacht. Da kann man sich vorstellen, dass das Ganze nicht so einfach zu managen ist.

Sie haben kürzlich die Weiterbildung zum zertifizierten Sportmanager HSG abgeschlossen. Weshalb?

Stillstand ist gleich Rückschritt! Ich habe mich immer versucht weiterzubilden, wenn ich keine Anstellung hatte. Meistens habe ich bei international erfolgreichen Trainern hospitiert. Dieses Mal hat das die Pandemie nicht zugelassen, da entweder der Fussballbetrieb eingestellt war oder danach keine Besuche möglich waren. Also habe ich im Gespräch mit Christian Lang (Managing Director HSG) die Idee analysiert, die Ausbildung zum Sportmanager zu absolvieren. Da ich mir gut vorstellen kann, nach meiner Trainerlaufbahn als Sportchef zu arbeiten, habe ich die Coronazeit genutzt und das Studium in Angriff genommen. Es war ein sehr befruchtendes Studium mit Teilnehmern aus verschiedenen Sportarten und verschiedenen Wirtschaftssektoren.

Was konnten Ihnen Trainer wie Jürgen Klopp, Pep Guardiola, Ottmar Hitzfeld, Ralf Rangnick, aber auch Arno del Curto mitgeben für Ihre Laufbahn?

Sie alle haben einen riesigen Erfahrungsschatz. Wenn man ihnen beim täglichen Training über einen gewissen Zeitraum über die Schulter schauen darf, erkennt man ihre Fussballphilosophie, ihre Arbeitsmethodik und vor allem ihren Umgang mit den Spielern. Das war für mich immer das Hauptaugenmerk, das ich besonders beobachtet habe. All diese erfolgreichen Trainer haben eine ausgesprochen gute Sozialkompetenz und somit einen sehr guten Umgang mit den Spielern.

Was hat Vladimir Petkovic an und vor der EM richtig gemacht?

Die Nati hat sich zu einer erfolgreichen Marke im Weltfussball entwickelt. Vlado hat trotz einiger Widerstände seine Art, Fussball spielen zu lassen, nie verlassen. Er hat seine Ideen mit den Spielern konsequent weiterverfolgt und hat sich auch von vielen externen Störfeuern nie aus der Ruhe bringen lassen. Vergessen wir nicht, wie viel Gegenwind er in diesen sieben Jahren immer wieder standhalten musste, wo in Zeitungen auch schon mal die ganz grossen Schlagzeilen gegen ihn gesetzt wurden! Das ist meiner Ansicht nach die grösste Leistung, die nicht nur Vlado und sein Staff, sondern auch der Schweizerische Fussballverband erbracht haben. Sie haben sich nie irritieren lassen und sind als Einheit ihren Weg weitergegangen.

Hat der Verband bei der «Beschaffung» des neuen Nati-Trainers die richtige Analyse getroffen, die wichtigen Kriterien beachtet und korrekt gewichtet – und somit gut eingekauft?

Ja, der Schweizerische Fussballverband hat gut analysiert und dementsprechend eingekauft. Mit Murat Yakin hat er einen Mann ausgewählt, welcher alle Punkte des Anforderungsprofils eines Schweizer Nationaltrainers erfüllt. Muri kennt den Schweizer Fussball sehr gut, sowohl als Trainer, als auch als ehemaliger Nati-Spieler. Er hat in der Schweiz als Fussballer und als Trainer Titel gewonnen. Zudem hat er als Übungsleiter auch im Ausland Erfahrungen gesammelt und in der höchsten russischen Liga trainiert. Als Secondo kennt er die Mentalität der vielen Secondos im Nati-Team und kann sich gut in ihre Lage versetzen.

Autor: Mario Walser

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